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Sportful Dolomiti Race 2019 – Das Protokoll eines aussergewöhnlichen Gran Fondo

Der Manghen ruft und das RADsyndikat folgt. Von inoffiziellen Siegern, Nasenbohrern, italienischem Essen und persönlichen Grenzen … ah und von den obligatorischen, offenen Rechnungen.

Wer die 20te Etappe des diesjährigen Giro d’Italia gesehen hat, der wusste was uns bei der 25ten Ausgabe des Sportful Dolomiti Race bevorstehen würde. Ein Tag mit bis zu 210km ( Gran Fondo ) oder 140km ( Medio Fondo ) und 5.250hm bzw. 3.250hm. 13 Männer und eine Dame sollten sich als Team RADsyndikat der Herausforderung stellen.

Vor dem Start: Wie bereits in 2017 haben wir uns dieses Jahr rechtzeitig für das Asolo Golf Hotel im 30 Minuten entfernten Cavaso del Tomba entschieden.  Vorabendliche Einrollrunde und Pasta auf der Sonnenterrasse inbegriffen. Wer am nächsten Morgen nicht angespannt sein sollte, zuckte spätestens im Stau auf der einzigen Bundesstrasse die von Süden Richtung Feltre führt. Wie so oft bei Staus waren auch hier Schafe die Verursacher. Dieses Mal aber tatsächlich die auf 4 Beinen. Allen Widrigkeiten zum Trotz, erreichten das Team rechtzeitig gegen 6:45Uhr die Startaufstellung. Den markigen Worten des Anheizers am Mirko folgte dann der Startschuss für 13 ganz besondere Stunden. Aber der Reihe nach:

Morgens 6:45h in Feltre, IT

Rennstunde 1: Wie zu erwarten, Johannes, Flo und Lucas springen vom Start weg in die Spitzengruppe. Norman, Sepp und Sebastian starten aus dem zweiten Block mehr oder weniger entspannt in die kommenden Aufgaben und der Rest des Teams steht erst mal wieder im Stau. Die Startplätze 4794 bis 4804 bedeuten bis zu 8 Minuten Wartezeit vor dem Überfahren der ersten Zeitmessung unter dem Startbogen. Nadelöhre gibt’s eben nicht nur am Brenner und Schafe eh überall.

Rennstunde 2: Lucas, Flo und Johannes sind in der Spitzengruppe über den ersten Pass. Johannes wird später sagen, er habe das Bedürfnis gehabt, in der Nasen bohren zu müssen, so langsam sei das dieses Jahr bergauf gegangen … wir „Normalen“, haben das Gefühl nicht mehr mit ihm reden zu wollen, bedeutet langsam für ihn doch eine Steigleistung von 1.252hm pro Stunde.

Flo, Johannes und Lucas auf dem Cima Campo

Roland hat den Stau vom Start in Feltre und den Aufstieg zum Cima Campo im Eiltempo hinter sich gelassen und im Gegenanstieg der folgenden Abfahrt zu Sepp aufgeschlossen. Die beiden werden den Rest des Tages in Schlagdistanz zueinander verbringen.

Rennstunde 3: Das Norman als Ultra Endurance Radsportler ein besonderes Verhältnis zu Parkbänken hat, wussten wir im RADsyndikat. Üblicherweise aber sucht er bewusst deren Nähe, um sich auf mehrtägigen Trainingsritten auszuruhen und legt sich obendrauf. In Bieno, in der Abfahrt vom Cima Campo wird ihm eine Unaufmerksamkeit zum Verhängnis und er endet unter ebensolcher Sitz- oder Schlafgelegenheit. Der Effekt ist derselbe, er ist danach wach, hat aber statt Schlaffalten, eine aufgerissene Hose und blutige Ellenbogen. #dontstoppushing eben.

Flo wird es währenddessen in der Spitzengruppe am Passo Manghen zu bunt. Auf einem Flachstück ( O-Ton ) in der Mitte des Anstiegs attackiert er und kann schnell einen Vorsprung herausfahren, was scheinbar zu Unruhe unter den Favoriten führt und schliesslich die Neugier der Kommissare weckt. Ende vom Lied, Flo darf nur noch ausser Konkurrenz teilnehmen und nicht mehr aktiv ins Renngeschehen eingreifen. Das italienische Reglement, welches mindestens 4 Jahre Pause nach dem Profi-Dasein verlangt, beschert Flo ab sofort einen ruhigen Tag als Zuschauer in der stetig kleiner werdenden Spitzengruppe.

Sebastian freut sich in der Abfahrt über die Laufruhe seines Gravelbikes, die 32er Tubeless-Pneus mit 4bar Luftdruck und den Vorteil schwerer Körper bei der Erdanziehung. Lediglich einem Mitstreiter gelingt es ihn zu überholen. Der aber trägt dafür Trekkingsandalen, hat schulterlange Locken und eine Bermudashorts auf seinem Renner. Das Duell endet schlussendlich zu Sebastians Gunsten, weil Enrico trotz seiner gefühlten 30kg Gewichtsvorteil ein noch schlechterer Kletterer ist und der Tag noch 3 Pässe bereithält.

Max erliegt den Reizen der italienischen Küche, die selbst an einer Labe in Castello Tessino so hervorragend ist, dass unser Playboy eine Viertelstunde seiner kostbaren Zeit opfert. Herr Ober, die Karte bitte.

Rennstunde 4: Thomas begleicht im Verlauf der kommenden anderthalb Stunden seine offene Rechnung mit dem Passo Manghen. Dessen durchschnittliche 7,3% auf 1.626hm haben im vergangenen Jahr die Laune nachhaltig eingetrübt. Dieses Jahr haben sicher die Erfahrung aus mehreren Ötztaler Radmarathons und das Erlebnis im Vorjahr dazu geführt, dass er erhobenen Hauptes aus dem Duell mit dem Manghen hervorgeht.

Rennstunde 5: Lucas setzt zu Beginn des finalen Anstiegs alles auf eine Karte und macht sich auf die Verfolgung der vier Mann starken Spitzengruppe. Auf den steiler werdenden Stücken rund um das Dorf Aune, muss dann auch unser ausgewiesener Kletterkönig den Anstrengungen des Vormittages Tribut zollen und sich einholen lassen. Am Ende stehen ein 14ter Rang und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 29,92km/h in den Büchern … trotz allgemeinem Nasenbohren am Cima Campo.

Lucas Theis führt das Feld über den Passo Broncon

Johannes holt sich im letzten Anstieg und der folgenden Abfahrt ins Ziel noch drei KOMs und überquert als vorläufiger Sieger des Medio Fondo die Ziellinie. Aufgeweckt von Flo’s Attacke in Rennstunde 3, wird auch Johannes auf den Prüfstand gestellt und später wegen desselben Passus im Reglement aus der Wertung genommen. Weil dieser Auftritt aber selbst bei den regeltreuesten Kommissaren für Hochachtung sorgt, kommt Johannes im Rahmen einer inoffiziellen Siegerehrung zu Podiumsehren und Champagner.

Rennstunde 6: Christian erreicht den Passo Manghen und hat damit den härtesten Brocken auf dem Weg zu seinem großen Ziel hinter sich. Ob’s geholfen hat, dass er den Pass der Wölfe auf einem limitierten #thewolfpack S-Works Tarmac von Deceuninck Quick-Step bezwungen hat, ist nicht abschliessend geklärt.

Christian auf der Abfahrt vom Passo Manghen

Rennstunde 7: Andrea, Andi und Sebastian geraten rund um Bellamonte am Passo Rolle in ein Unwetter, welches die Drei bis zur Passhöhe mit Starkregen, Hagel und Temperaturen bis runter auf 4° begleiten wird. Andi muss am Pass unterkühlt und aufgeweicht den Rückzug antreten. Auch dieses Jahr reisen wir also mit offenen Rechnungen zurück in die Kaiserstrasse. Andrea nutzt eines der Cafés um sich aufzuwärmen und später die letzten 70km durchzubeißen. Und Sebastian fühlt sich angesichts triefnasser Schuhe, Regen aus allen Himmelsrichtungen und einer Nummer auf dem Trikot, an seine 25 Jahre als Fussballer im regenverwöhnten Norden erinnert. Irgendwann musste sich das Gekicke in Oldenburg, Westerstede, Leer oder Delmenhorst doch mal auszahlen. Das „in Erinnerungen schwelgen“ hat am Pass glücklicherweise ein Ende, sonst wäre aus der Käsesemmel vielleicht noch ein Abpfiff-Bier geworden. So aber stand eine saukalte Abfahrt vor den beiden, die schlussendlich zurück in die Sonne und später zu abtrocknenden Trikots führte.

Andrea im Sturzregen am Passo Rolle

Flo scheitert währenddessen auf seinem Specialized Venge Pro Aero-Bike in der Abfahrt vom Monte Avena nur knapp an der 100km/h Schallmauer. Der Zeiger bleibt letztendlich bei 96,8km/h stehen. 

Wenig später hält er sich brav an die Abmachung, greift nicht in die finalen Sprints ein und rollt nach dem Fünftplazierten über den Zielstrich.

Rennstunde 8: Max finisht den Medio Fondo in 7:14:13 und hat damit bewiesen, dass er nicht nur mit einem Fixie über die Alpen kommt, sondern auch mit modernem Hightech-Material durch die Dolomiten.

Alex finisht in der ihm ganz eigenen, unaufgeregten Art, den Medio Fondo in 7:54:43.

Roland und Sepp finishen in 7:57:43 bzw. 7:57:04 und werden hervorragende 132te bzw. 124te des Gesamtklassements. Nimmt man die Real Time als Maßstab, muss sich Roland am heutigen Tag im internen Team-Duell nur Florian geschlagen geben. Bärenstarke Premiere beim Sportful Dolomiti Race.

Rennstunde 9: Klaus finisht, als wäre nix gewesen, in 8:37:56. Was für ungefähr 2500 Teilnehmer als unerreichbar gilt, bedeutet für Klaus eine offene Rechnung mit dem Sportful Dolomiti Race. Im Ziel wird er wissen „da ging mehr“.

Klaus im Ziel, nach 8:37:56

Rennstunde 10: Thomas finisht in der im eigenen Noblesse nach 9:08:47

Michi finisht, gut gelaunt wie immer, in 9:08:54

Christian erreicht den Passo Rolle. Bei strahlendem Sonnenschein und abtrocknender Strasse. Alles richtig gemacht.

Rennstunde 11: Sebastian wird am Anstieg zum Croce d’Aune das gefühlt einhundertzwölfte Mal am heutigen Tag auf sein Bike oder seine Körperlänge angesprochen. Dank Sebastians unzureichender Italienisch-Kenntnisse dauern die Gespräche nie sehr lange und der Puls bleibt somit stabil.

Sebastian im Sturzflug

Rennstunde 12: Andrea finisht, trotz ausgiebigem Coffee-Stop bei 4° am Passo Rolle, in 11:50:40. Sebastian finisht in 11:20:50. 

Rennstunde 13: Christian finish nicht nur den Gran Fondo des Sportful Dolomiti Race in 12:22:52, sondern belohnt sich mit dem Erreichen seines persönlichen Zieles für die Anstregungen der letzten Monate, die ihm der straffe Trainingsplan von Norman auferlegt hat. Als Späteinsteiger in den Radsport, neben einem zeitintensiven Job und jenseits der 50 eine solche Leistung abzuliefern, verdient unseren größten Respekt und wir sind stolz Teil dieser Reise sein zu dürfen. Chapeau Christian.

Damit endet um 19:22Uhr ein Tag voller Emotionen, Erlebnissen und Geschichten. Das 25te Sportful Dolomiti Race und mit seinen fantastischen Pässen, den tollen Menschen auf und neben der Strasse und dieser besonderen, ganz italienischen Herangehensweise, war ein perfekter Rahmen für das was wir im RADsyndikat am liebsten machen: Gemeinsam mit Euch der Leidenschaft Radsport nachzugehen.

Vielen Dank an alle die dabei waren, an all diejenigen, die diese Veranstaltung möglich gemacht haben und an den Deutschland Vertrieb von Sportful für die Startplätze.

Breathe.Feel.Be.

Text: Sebastian Schaeffer

photo credits: Max Marquardt und Sportograf

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