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Das Specialized CREO SL im RADsyndikat Rosenheim

Mit dem Specialized TURBO CREO SL im Rennrad-Trainingslager. Ein Selbstversuch von Max Marquardt.

E-Rennräder polarisieren, keine Frage. Was also passiert, wenn Du einen Fixie-Fahrer, einen Playboy-Redakteur, einen tätowierten Punkrocker und einen Rennradler der sich gerne schindet, auf das wohl beste E-Rennrad auf dem Markt setzt? Wir haben’s ausprobiert.

Die Frage, die uns und Euch bisher hauptsächlich umgetrieben hat, ist die nach der Kompatibilität mit dem klassischen Rennradler im Rahmen einer gemeinsamen Ausfahrt. Bist Du bergauf zu schnell und in der Ebene zu langsam? Ist der Motor harmonisch genug und geht Dir bei entkoppeltem Motor ( oberhalb 25km/h ) zu schnell die Puste aus? Wir haben uns aufgemacht nach Girona um dem Ganzen mal auf den Zahn zu fühlen.

Weil unser alljährliches Trainingslager im Katalanischen Bike-Hotspot aber wiederholt ausgebucht war, haben wir nicht alle 4 angesprochenen Typen mitgenommen, sondern uns an Max Marquardt vom cleat magazine gewendet. Dieser vereint alle Eigenschaften in einer Person. Perfekt also für unser Experiment. Wir haben Max mit einem Katalog an Fragen und einem brandneuen S-Works TURBO CREO SL an verschiedenen Tagen in unser Sport-Gruppe mitfahren lassen. 10 Fahrer plus 2 Guides, allesamt unmotorisiert.

Viel Spass mit dem folgenden Gastbeitrag. Und wenn Du selber herausfinden möchtest, ob das Specialized TURBO CREO SL Dein nächstes Bike sein könnte, wir haben ab sofort zwei Größen des COMP Carbon EVO zu unseren üblichen Test-Konditionen verfügbar. Schreib uns eine email, ruf uns an unter +49 8031 9085380 oder schau vorbei im RADsyndikat.

Nichts polarisiert in der Radsportszene mehr, als das E-Bike. Denn bei der E-Unterstützung am Rad scheint es in der Szene nur ein für oder wider zu geben. Insbesondere unter den Rennradfahrern. Ohne Anstrengung die steilsten Pässe nach oben pedalieren, ja was, gleiten? Nein, als waschechter Radfahrer gehören Leid und Schmerz ebenso dazu wie die Bräunungsstreifen an den Oberarmen. Doch dass Nerd-Talk und Realität meist sehr weit auseinanderklaffen, zeigt unser Test. Wir haben das Turbo Creo SL von Specialized nach Katalonien ausgeführt, um dort die berüchtigten Berge wie den Rocacorba (der ehemalige Trainingsberg von Lance) und den „Hincapie-Hill“ zu bezwingen. Nicht solo, sondern zusammen mit einer sportlichen Rennradgruppe. Kann sich das Creo auch gegen stramme Waden und Bio-Bikes durchsetzen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Wunderbike von Specialized, lest ihr hier…

1. Inwieweit kann man das Turbo Creo SL mit einem Rennrad vergleichen?

Obwohl wir vor den Testfahrten selbst viele Ressentiments hatten, waren wir vom Handling des Creos schnell überzeugt. Sowohl Steifigkeit als auch Agilität des Bikes sind nicht anders als bei einem regulären Rennrad ohne E-Unterstützung. Für das gute Fahrverhalten sorgen mitunter die formschöne und sehr sportliche Endurance-Rahmengeometrie, als auch das geringe Gewicht von gerade mal 12,2 Kilogramm. Auch die Laufruhe überrascht: das Creo SL liegt sehr gut auf der Straße und vermittelt ein hohes Sicherheitsgefühl. Das Design ist nahe am Specialized Venge. Die geringe Größe des Motors und der im Vergleich zur Konkurrenz sehr filigrane Rahmen, lassen erst auf den zweiten Blick erkennen, dass es sich hierbei um ein Performance E-Bike handelt.

2. Wie ist das Fahrverhalten?

Das Specialized Turbo Creo SL ist ein Bike, das ab dem ersten Meter unglaublich Spaß macht. Und man merkt schnell, dass man nach wie vor auf einem Sportgerät sitzt – E-Antrieb hin oder her. Natürlich macht sich der Support des Motors bemerkbar, allerdings sehr dezent. Die Übergänge ab der Entkopplung bei 25 Stundenkilometern sind butterweich und kaum merkbar. Dies liegt daran, dass der Motor schon unter der Entkopplungsgrenze ganz geschmeidig herunterregelt. Die verbaute 1 x 11 Schaltgruppe bietet genügend Flexibilität für steile Rampen und flache Sprint-Segmente. Die aerodynamische Rahmenform und die Roval CLX 50 Laufräder machen das Bike auch über der „magischen“ Grenze zu einem schnellen und performancestarken Alleskönner, insbesondere auch dann noch, wenn man den Motor abschaltet und mit eigener Beinkraft fährt.

3. Ist es möglich, mit dem Creo mit einer Rennrad-Gruppe mitzuhalten?

Ja, allerdings mit gewissen Kompromissen. Im Test fuhren wir mit dem Creo im Feld einer sportlichen Rennradgruppe, Ausfahrten über 100 Kilometer mit Durchschnittsgeschwindigkeiten bis maximal 28 km/h und hatten dabei keine Probleme. Auch in flachen Etappen konnten wir mit dem Creo stets mithalten, auch wenn der Motor bei circa 25km/h entkoppelte. Die Angst, man würde ab dieser Schwelle nur noch „Material treten“ können wir hiermit entkräften: bei entkoppeltem Motor fährt sich das Rad wie ein herkömmliches Rennrad mit ein bisschen mehr Gewicht. Aufgrund der ausgeklügelten Rahmengeometrie fiel uns das Mehrgewicht jedoch kaum auf. So konnten wir mit dem Creo auch Sprint-Einlagen ohne E-Unterstützung problemlos fahren. Am Berg ist man natürlich ohnehin schneller als der Rest. Ohne Motorunterstützung merkt man das Zusatzgewicht auch erst in der Steigung, allerdings minimal. Schwierig wird es, wenn man bei ambitionierten Amateur-Fahrern oder Semi-Pros mithalten will. Bei Ausfahrten, die einen Schnitt von über 30 km/h fordern, wird man mit dem Creo an seine und dessen Grenzen stoßen.

4. Wie ist die Reichweite des Akkus?

Laut Herstellerangaben liefert der fest verbaute 320-Wh-Akku Energie für 120 Kilometer. Mit dem optional erhältlichen Range Extender sind nochmal 60-80 Kilometer zusätzlich drin. Natürlich hängt dies auch stark davon ab, in welcher Modi das Creo gefahren wird. Im Test verloren auf 100 Kilometer Distanz drei von insgesamt 10 Akku-Balken. Allerdings fuhren wir das Rad nur selten im Turbo-Modus, da uns die Eco und Sport-Modi völlig ausgereicht haben.

5. Wie lange dauert es, bis der Akku vollständig aufgeladen ist?

Im Test dauerte das volle Laden des Akkus 2,5 Stunden. Das Laden des Range Extender dauert zwischen 3 und 4 Stunden.

6. Welche Fahrtmodi gibt es und wie wird der Motor gesteuert?

Über ein kleines LED-Panel im Oberrohr kann per Knopfdruck der Fahrtmodus gewählt werden. Ebenso gibt das Panel Aufschluss über den Akku-Stand. Insgesamt gibt es beim Creo SL vier verschiedene Modi: Off, Eco, Sport und Turbo. Die Tretkraftunterstützung beträgt dabei je nach gewählter Stufe 0 %, 30 %, 60 % oder 100 %. Der SL 1.1-Motor verdoppelt sozusagen die Muskelkraft des Fahrers im Turbo-Modus. Der maximale Support des Motors beträgt dabei 240 Watt beziehungsweise 35 Nm sowohl bei Spitzen- als auch bei Dauerleistung. 

7. Was passiert, wenn der Motor oder der Akku ausfällt?

Zu unserer Überraschung: Nichts. Das Creo SL fährt sich ohne E-Unterstützung wie ein normales Rennrad. Hier hat der Markt momentan nichts Vergleichbares zu bieten. Im Test deaktivierten wir bei manchen Etappen absichtlich den Motor, um einen genauen Vergleich zu haben. Nur in Steigungen ab 12 Prozent bemerkten wir die Entkopplung und das zusätzliche Gewicht. Auswirkungen der Entkopplung auf das Kurbellager und somit die Trittfrequenz konnten wir nicht feststellen. Den Übergang zwischen 25km/h und Muskelbetrieb haben wir ein keiner Situation gespürt.

8. Für wen ist das Turbo Creo SL gedacht?

Während E-MTBs längst akzeptiert sind, hält sich im Rennrad-Bereich nach wie vor die hartnäckige Meinung, dass E-Bikes nur etwas für Invalide, Ältere oder faule Personen seien. Doch das Creo könnte in Zukunft den lang ersehnten Pardigmenwechsel herbeiführen. Denn hier haben wir kein E-Bike im klassischen Sinne, sondern ein Rad, das dem Fahrer schlichtweg mehr Möglichkeiten bietet, als es ein herkömmliches Rennrad je tun könnte. Ja, Rennradfahren kann auch Spaß machen, ohne sich per se im Dauerschwellenwert gegenseitig platt zu machen und auf 150 Kilometer nicht viel mehr von der Landschaft mitzubekommen, als die Farbe des Asphalts. Man kann auf dem Creo beides tun: Genießen und Ballern. Wer keine Lust auf E-Unterstützung hat, aktiviert sie eben einfach nicht. Der deaktivierte Motor wirkt sich nicht negativ auf das Pedalieren aus.

Und wer glaubt, Fahrten auf dem Creo hätten mit E-Motor keinen Trainingseffekt, irrt gewaltig: denn für Sportler, die per se ihre HR- und Laktatwerte nicht in den Griff bekommen, könnte das Creo die wohl beste Medizin sein, die der Markt zu bieten hat. Hier spreche ich übrigens aus eigener Erfahrung: dermaßen gleichmäßige Leistungswerte konnte ich bisher nur mit viel Konzentration auf der Rolle erzielen. Am Ende einer langen Ausfahrt auf dem Creo war ich erschöpft, aber nicht platt. Und meine Leistungswerte konnten sich sehen lassen.

9. Welche Modelle gibt es?

Alle Modelle des Turbo Creo basieren auf dem gleichen Rahmenset. Mit kompakten 425 mm langen Kettenstreben, einer Reifenfreiheit von bis zu 700 x 42C bzw. 650b x 50, Thru-Axle in 12 x 110 vorne und 12 x 148 mm hinten und der Kompatibilität mit versenkbaren Sattelstütze, verfügt das Rad über jeden Menge Features, die man an einem modernen Road-, All-Road- und Gravel-Bike erwarten würde. Mit einem Preis von 12.499 € ist das S-Works Turbo Creo SL das Topmodell des Line-ups. Das Turbo Creo SL Expert ist das günstigere Straßen-Modell und verfügt über einen Antrieb mit Shimano ULTEGRA R8070 Di2- und XT Di2-Komponenten, Roval C38 Disc-Laufrädern und Specialized Turbo Pro Reifen in 700 x 28C. Für Gravel-Fans gibt es das Turbo Creo SL Expert EVO. Das E-Gravel Bike nutzt eine nahezu identische Spezifikation wie das Turbo Creo SL Expert, ergänzt sie jedoch um eine versenkbare X-Fusion Manic-Sattelstütze und offroad-taugliche Specialized Pathfinder Pro-Reifen in 700 x 38C.

text & video: Max Marquardt

photos: Max Marquardt & Specialized Bicycles

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